Das Poesiealbum meiner Großmutter Elfriede Amanda Leiner

So wie die Unterlagen meines Großvaters für seinen Ariernachweis mir den Auftrag gaben, das Bild seines – in meinen Augen – viel zu kurzen und lückenhaften Stammbaumes zu ver-vollständigen, so lieferte das geliebte alte Poesiealbum meiner Großmutter den Anlass, merkwürdige Schriften zu entziffern. Schon als Kind fand ich das Büchlein wunderschön mit seinem geprägten Umschlag, der Metall-verzierung im Jugendstil, dem Verschlussbügel und dem grün-gold geblümten Vorsatzblatt. Spannend!

Es war voller Geheimschriften!

Nur Weniges war so geschrieben, wie ich es in der Schule gelernt hatte. Wahrscheinlich habe ich meine Großmutter des öfteren mit Fragen gelöchert, sie erzählte ja gerne aus ihrer Kinder- und Jugendzeit in Danzig. Aber mit dem Lesen und Entziffern konnte ich erst anfangen, nachdem ich in der Schule in der fünften oder sechsten Klasse von der Sütterlin-Schrift gehört hatte und sie auch ausprobieren musste. Das war also ein Teil der Geheimschriften, die vor allem bei einigen von Omas Schulfreundinnen besonders gut zu lesen waren.

Die Mädchen waren 11 bis 15 Jahre alt und schrieben, wie sie es in der Schule gelernt hatten. Die Entstehung dieses Albums fällt genau in die Zeit, als Ludwig Sütterlin 1911 vom preussischen Kultur- und Schulministerium den Auftrag bekommt, eine Schrift für Schulanfänger zu entwickeln, die gut mit der Stahlfeder auszuführen sein sollte. Er vereinfachte die Buchstaben der Kurrent-Schrift, entfernte z.B. Schnörkel, verkürzte Ober- und Unterlängen und stellte die Buchstaben senkrecht. Ab 1914 wurde die Sütterlin-Schrift versuchsweise in den preussischen Grundschulen eingeführt, 1924 wurde sie verpflichtend.

Das Poesiealbum enthält Einträge von Mitschülerinnen und Lehrerinnen zwischen 1911 und 1916. Meine Großmutter hat es offensichtlich zu ihrem 10. Geburtstag am 5. März 1911 bekommen. Die Einträge ihrer Eltern sind auf diesen Tag datiert. Deren Schrift lässt vermuten, dass sie sich bemüht haben, so zu schreiben, dass ihre kleine Tochter die Einträge auch lesen kann.

Einige andere Erwachsene nahmen auf die Lesefähigkeit einer 10-Jährigen – und damit auch auf meine damals – weniger Rücksicht. Sie nutzten die Kurrent-Schrift, lateinische Buchstaben oder ein Gemisch, manchmal zusätzlich gespickt mit individuellen Eigenheiten und Schnörkel-Kreationen.

Meine Großmutter selber schrieb später ein Gemisch aus Sütterlin und lateinischen Buchstaben. Ihre Einkaufslisten auf zerschnittenen, braunen Papiertüten oder der Innenseite benutzter Briefumschläge waren fast so spannend wie die Sprüche in ihrem Poesiealbum – und viel leichter zu lesen.

Dagegen stellt uns die oft sehr individuelle Interpretation der Buchstabenführung und die Kreativität von Pastoren und anderen Kirchenbuchschreibern der letzten vier Jahrhunderte heute noch vor größere Rätselaufgaben. Oft geht das Entziffern nur mit Hilfe gezielter Vergleichsarbeit und in ganz schlimmen Fällen unter Einsatz von reichlich Phantasie. Das Beispiel unten ist noch relativ gut zu lesen.

Kirchenbuch-Eintrag
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Anna Maria Tjaden, verehelichte Janssen

Anna Maria Tjaden ist nicht nur meine Ur-Urgroßmutter, sondern auch die von Frau Oeltjen! Vor  einiger Zeit nahm Frau Oeltjen Kontakt zu mir auf, nachdem sie in meinem Blog auf den ihr bekannten Namen gestoßen war. „Meine Ururgroßmutter ist Anna Maria Tjaden! Ihre Tochter Anna Gesine ist meine Urgroßmutter“  – und ihre Tochter Hermine ist meine Urgroßmutter! Wenn unsere Urgroßmütter Schwestern waren, sind wir Cousinen zweiten Grades, sagt mein Programm!  Leider bedeutet die neue Verwandtschaft nicht die Chance, etwas über den Vater unserer gemeinsamen, unehelich geborenen Ururgroßmutter zu erfahren, denn Frau Oeltjen ist glücklich, überhaupt etwas über sie gelesen zu haben. In ihrer Begeisterung findet sie aber auch noch eine Webseite mit einer Sammlung von Tjaden-Familien, in der auch die vorkommt, in der Anna Maria aufgewachsen ist. Und sie hat Kontakt zu einem Enkel, der von der Familie seiner Großmutter Anna Gesine, verheiratete Hilbers, erzählt.

Frau Oeltjen schreibt:  „Vor 14 Tagen habe ich neue Informationen über meine Urgroßmutter Anna Gesine Janssen (1869 – 1939), Anna  Maria Tjadens Tochter, erhalten. Dabei ist mir etwas aufgefallen: Im Jahr 1882 ist Anna Marias 1. Ehemann, Johann Friedrich Janssen, gestorben. In dem Jahr müsste meine Urgroßmutter Anna  Gesine 13 Jahre alt gewesen sein. Entsprechend müssten Sophie Katharine Marie 11, Hermine Antonie Margarete  9 und Marie Johanne 5 Jahre alt gewesen sein… Das bedeutet, dass Anna Maria als Witwe für die vier jüngsten Kinder sorgen musste…“

Die Informationen und Photos, die Frau Oeltjen mit mir teilt – und auch ihre Begeisterung -reizen mich, über die Familie von Anna Maria Tjaden mit ihren zwei Männern Johann Friedrich Janssen und Gerd Christian Janssen zu schreiben und zusammenzustellen, was ich über den Verbleib der Kinder weiß. 

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Spurensuche in Berlin 2018

Anfang April 2018 waren wir – meine Freundin Irmi und ich- mal wieder auf Spurensuche in Berlin. Wir hausten diesmal in Schöneberg am Nollendorfplatz und deshalb hießen die beiden frisch geschlüpften Tauben in unserer Balkonecke auch „Nollys“. Eine Woche lang konnten wir beobachten, wie immer mehr Federflaum die rosarote Haut bedeckte. Es waren die ersten richtig warmen Frühlingstage und wir genossen dieses bunte, lebendige Stückchen Berlin mit Frühstück draußen im T-Shirt, offenen Eisdielen, einem interessantenWochenmarkt mit extravaganten Angeboten und das Essen aus allen möglichen Teilen der Welt.

In meinem Hinterkopf wartete allerdings Ernestine Hermine Rosa Hilbert, die Schwester meiner Urgroßmutter. Sie lebte als Erwachsene in Berlin, hat hier geheiratet und ist hier auch gestorben. 1915 lebte sie wohl noch bei Leipzig, aber für 1920 fand ich sie im Berliner Adressbuch.

Ernestine Hilbert, Modesalon, Schöneberg,  Gotenstr. 45

Da wollte ich hin!  Und so sieht das da heute aus. Die dunkle Haustür hinter dem gelben Briefkasten trägt die Nr. 43. Die 45 müsste noch weiter zur Ecke Sachsendamm liegen. Die Hausecke ist abgeschrägt und in der Schräge hat die Haustür die Nr. 44 und dann  folgt Sachsendamm Nr. 65.  Die 44 ist hinter den Bäumen an der Straßenecke kaum zu sehen. Also keine Nr. 45!

Meine eigenen Photos aus dem Mai ohne Laub an den Bäumen und Wänden haben sich leider verflüchtigt. 

 

 

 

 

Etwas Aufschluss bietet das Satellitenphoto, Es zeigt, dass das Eckhaus zum Neubau am Sachsendamm gehört. Das war von der Straße aus gar nicht zu sehen. Dann ist ein Stück der Straßenbebauung an der Gotenstraße wohl im Krieg zerstört worden oder musste dem Ausbau des Sachsendammes weichen?

 

 

Ernestine Hilbert heiratet 1920 und in den folgenden Adressbüchern ist nur ihr Mann Adolf Armin Kochmann zu finden. Bis 1934 leben sie in der Gotenstraße 45 im 3. Stock.

1935 ist er dann im Hoeschweg 2 verzeichnet, 1936 und 37 in Lichtenrade, Hoeschweg 2 als Eigentümer. Spannend: 1938 und 39 ist Adolf Armin Kochmann gar nicht im Adressbuch zu finden. Statt dessen gibt es 1939 im Straßenverzeichnis den Eintrag: E. Kochmann, Maffeistr. 49E, vorher Hoeschweg und im Adressbuch 1939: Ernestine Kochmann, Marienfld. 49E. Ich hatte schon spekuliert, dass ihr Ehemann als Jude  deportiert worden wäre, aber 1940 und 42  steht er wieder im Adressbuch.

Die Ehepartner sind einzeln mit etwas unterschiedlich angegebener Adresse als Eigentümer des Hauses 49 angegeben, sie zusätzlich als Verwalterin.

Ernestine stirbt 1942 und 1943 steht unter den vielen Kochmanns:

-Adolf, Redakteur und Fachschriftsteller, Marienfelde, Maffeistr. 49E

Die Gotenstraße war ja noch einfach zu finden, aber die Adressangaben für den zweiten Wohnort habe ich erst im Nachhinein so genau recherchiert. Und so durchliefen Irmi und ich an einem wunderschönen, sehr warmen Frühlingstag Marienfelde, aßen in Alt-Marienfelde in einem alternativen Café selbstgebackenen Kuchen und suchten eine Straße, die es dort gar nicht gibt. Hoeschweg? Der ist doch in Lichtenrade! – googelte ein hilfsbereiter Handybesitzer am Nebentisch. Hinlaufen? Viel zu weit! Aber die S-Bahn brachte uns nach Lichtenrade. Es war inzwischen später Nachmittag und Irmi wollte sich lieber setzen und eine Bluse kaufen, wie sich später herausstellte. Sie knüpfte nette Bekanntschaften und ich marschierte los. Der passende Bus ließ so lange auf sich warten, dass ich es vorzog, zu laufen. Es war ganz schön weit für einen Tag, den wir sowieso schon auf unseren Füßen zugebracht hatten. Aber ich erreichte schließlich am Rande von Lichtenrade den Hoeschweg, durchlief ihn hoffnungsvoll ganz, weil ich natürlich am falschen Ende angekommen war, aber die Nummer 2 gab es nicht. – Das durfte doch nicht wahr sein nach all den Strapazen! –  In einem Garten arbeitete eine ältere Dame und ich wagte,  nach Haus Nr. 2 zu fragen.  Sie zuckte die Schultern!  Zum Glück fiel im Gespräch der Name „Kochmann“ und dann erlöste sie mich mit der Bemerkung: „Ja, an der Ecke da vorne liegt doch ein Stolperstein für Erna Kochmann!“  Es waren nur wenige Schritte und genau an der Straßenecke Hoeschweg/ Maffeistraße lag der Stolperstein für Adolf Kochmanns zweite Frau Erna, geb. Mandus vor einer kleinen Gartenpforte im Jägerzaun. Ich hatte also wirklich die letzte Wohnstätte von Ernestine, der Schwester meiner Urgroßmutter gefunden. Ich hatte auch ein Photo, aber nun muss ich beschreiben, was ich fand. Im Gegensatz zu allen umliegenden Häusern und Gärten hat es hier keine Abholzungen und größeren Renovierungen gegeben. Das kleine, dunkelgrün gestrichene Einfamilienhaus liegt hinter hoch gewachsenen Bäumen und Sträuchern und ist kaum zu sehen. War es auch auf meinem verschwundenen Photo nicht!

Im Nachhinein ergab meine Recherche, dass erstens der Hoeschweg wegen der Gemeindegrenze zunächst postalisch zu Marienfelde und zweitens das Haus anfangs zum Hoeschweg, später – wie heute – zur Maffeistraße gehörte.

Warum gerade dieses Grundstück wohl nicht in irgendeiner Art und Weise modernisiert worden ist!? Adolf Armin Kochmann überlebt das Naziregime und stirbt am 5. Mai 1952. Ich weiß noch nicht wo. Seine Schwester Meta wird deportiert, über seine anderen Geschwister weiß ich noch nichts. Seine zweite Frau Erna stirbt in Auschwitz .

Die Beschäftigung mit Ernestine Hermine Rosa Hilbert hat weitere Kreise gezogen als vorher gedacht – und viele neue Fragen aufgeworfen!

Nun gehe ich durch die Maffeistraße zurück, zufrieden und nicht mehr so angespannt und eilig. Ich finde die ausgeruhte und ebenfalls zufriedene Irmi und wir sind abends auch noch rechtzeitig im Friedrichspalast.

 

 

 

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Ernestine Hermine Rosa Hilbert

Das ist Ernestine Hermine Rosa Hilbert, eine Schwester meiner Urgroßmutter Amanda Nathalie. Diese Photographie sendet sie im März 1915 an Amanda und deren Ehemann Louis Leiner in Danzig, Jungstädtischegasse 6. Ernestine ist mit 26 oder 27 Jahren eine schöne Frau mit Pelz und extravagantem Hut. Das ist ja wohl ihre eigene Kleidung und gehört nicht in das Photoatelier Emil Schuffert in Borna?

Ich weiß nicht viel von Ernestine. Sie wird am 10. April 1888 in Kamin in Westpreussen als sechstes von neun Kindern geboren und wächst als jüngste, dritte Tochter auf einem kleinen Bauernhof in Lemberg, Kirchspiel Strasburg, in Westpreussen auf.

Bis auf den Hoferben gehen alle Geschwister in größere Städte, um zu arbeiten. Amanda geht nach Danzig, Berta geht nach Leipzig- Großdeuben und heiratet dort auch. Sie wird auf der Karte erwähnt. Vielleicht lebt Ernestine zu der Zeit in Rötha zwischen Leipzig – wo sie ihren Bruder Theodor im Lazarett besucht – und Borna, wo die Photographie gemacht wurde. Den Ort „Röthigen“, wie sie selbst schreibt, finde ich nicht und die Briefmarke ist in Leipzig abgestempelt.In der Familie wird sie „Rosa“ genannt, aber sie selbst unterschreibt mit „Ernestine“. 

Schließlich finde ich sie in den Berliner Adressbüchern von 1920 als Ernestine Hilbert, Modesalon Schöneberg, Gotenstraße 45. In der Familie hieß es stolz, sie sei Sängerin gewesen und – etwas verschämt –  sie habe einen Juden geheiratet. Die „Sängerin“ hat sich nicht direkt bestätigt, aber der Modesalon passt ja auch zu ihr und eventuell hat sie nebenberuflich gesungen. Am 31. März 1920 heiratet sie Adolf Armin Kochmann, einen Fachschriftsteller, der sich überwiegend mit deutscher Literatur beschäftigt und unter anderem einen „Führer durch die Weltliteratur“ geschrieben hat. Im Adressbuch von 1921 ist Ernestine deshalb unter ihrem Mädchennamen „Hilbert“ nicht mehr zu finden.

Im jüdischen Adressbuch für Groß-Berlin von 1931 ist kein Adolf Kochmann verzeichnet. Doch er ist Jude und muss ab dem 8. 2. 1939 lt. Standesamt Berlin den Namen „Israel“ tragen. In den normalen Adressbüchern von 1940 und 1942 finde ich beide unter vielen Kochmanns. Sie sind alphabetisch nach ihren Vornamen eingeordnet und als Paar nicht sofort erkennbar, da die Adresse bei ihr unvollständig eingetragen ist. Zwischen beiden stehen noch mehrere Kochmanns.

 

 

  • Adolf, Redakteur und Fachschriftsteller, Marienfelde, Maffeistraße 49 E (Eigentümer)
  • Ernestine, Verwalt. Marienfld. 49 E

 

Ernestine stirbt 1942 im Alter von 54 Jahren.  Entsprechend findet sich im Adressbuch von 1943 auf Seite 1486 nur noch ihr Mann mit dem gleichlautenden Eintrag wie oben. Nach dem Tod seiner Frau heiratet er eine Jüdin, Erna, geb. Mandus. Sie ist von Beruf Sängerin und zieht drei Monate nach Ernestines Tod vom Kottbusser Damm nach oben in das Haus in der Maffeistraße 49 in eine Mansarde mit Notküche.

1943 wird sie deportiert und stirbt in Auschwitz. Für Erna Kochmann, geb. Mandus liegt ein Stolperstein vor dem Haus in der Maffeistraße. Adolf Armin Kochmann überlebt das Naziregime und stirbt am 5. Mai 1952.

 

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Hab Sonne im Herzen – Erinnerungen

Vor ein paar Tagen fiel mir beim Aufräumen eines Regals eine alte Pappe in die Hände, ca. 20 x 40 cm, einseitig bezogen mit völlig vergilbtem, eher fast braunem Papier, übersät mit Stockflecken und einigen kleinen Hinterlassenschaften von Fliegen – und einem Gedicht, geschrieben mit breiter Feder und immer noch pechschwarzer Tinte in einer Schmuck-schrift.

Augenblicklich versah meine Erinnerung das Werk mit einem schmalen, schwarzen Holzrahmen und hängte es in das Wohnzimmer meiner Großeltern Sturhahn und zwar so, dass ich es von meinem Krankenbett aus lesen konnte. Und ich las es, immer wieder. Das war vermutlich gar nicht so leicht, vielleicht eher ein Rätsel, denn ich bin etwa 9 Jahre alt und kenne nur die Druckschrift aus dem Lesebuch der Grundschule. Ich habe Scharlach und um meine jüngeren Geschwister nicht anzustecken, lebe ich sozusagen in Quarantäne bei meinen Großeltern in Bockhorn, und zwar auf dem Diwan im Wohnzimmer mit Blick auf „Hab Sonne im Herzen“ über oder neben der Tür zum Schlafzimmer von Oma und Opa. Rechts neben der Tür steht das alte schwarzgelackte Klavier, auf dem Opa spielen kann. Oma spielt Geige und gerne singt sie auch mit ganz hoher Sopranstimme. Hausmusik gibt es oft: Geige und Klavier, Gesang und Klavier – besonders auf kleinen Familienfesten. Und manchmal kommt Herr Bartsch aus der Schlesiersiedlung mit seinem Cello. Das Kriegsende liegt nur etwa 13 Jahre zurück. Damals wusste ich nicht, was „Schlesiersiedlung“ bedeutet und auch nicht, dass Hausmusik etwas ganz Besonderes und Seltenes ist. Hab nicht nur Sonne im Herzen, sondern auch – 2. Strophe – „ein Lied auf den Lippen…“.

Irgendetwas in meinem Krankenzimmer ist grün, ein gräuliches Schilfgrün – eine gemusterte, gestreifte Tapete? Oder grüngemusterte Gardinen neben den Fenstern? Aber die kann ich nicht sehen, die sind hinter mir und das Tageslicht kann mit den ganz dunkelgrünen, dicken Rollos völlig ausgesperrt werden.  Auf dem Klavier ein kleiner Lampenschirm mit grünem Behang aus Glasperlen. Und darüber hängt auch Franz Liszt, ein Druck in schwarzem Rahmen – ein grünliches, schmales Gesicht, ein junges Gesicht, etwas dämonisch kommt er mir vor.

Manchmal schaut Dr. Eßkuchen nach mir und meinem Fieber, ein netter älterer Herr, der Hausarzt meiner Großeltern aus Bockhorn. Ob das überhaupt stimmt? Älter? Für eine 9-jährige sind doch alle Erwachsenen „älter“! „Eßkuchen“ oder „Eskuchen“ – ein merk-würdiger Name! Nachfragwürdig! Meine Großmutter konsultiert ihn oft, sie leidet unter Migräne und benötigt oft Schmerzmittel. Die leeren Dosen, Röhren und Schachteln werden aufbewahrt und mutieren zu meinem Spielzeug. Der große Karton steht unten in einem Regal neben dem Waschbecken und dort liegt auch der Bimsstein, beige-braun-grün mit dunkleren Einschlüssen, geformt wie ein größeres Ei und ziemlich glatt – zum Händewaschen. Ist das schon ein „Badezimmer“? Oder existiert 1958 noch das Plumpsklo ganz hinten links im Haus, wo es mal einen großen Schäferhund gab, an dem ich nicht vorbeigehen mochte zum Klo und zur hinteren Tür nach draußen in Richtung Brunnen mit dem Eimer. Als kleines Kind hab ich Opa mal gerettet, der beinahe mit dem Eimer in den Brunnen gefallen wäre.

Aber jetzt bin ich schon 9 und habe Scharlach und liege 14 Tage lang auf dem Diwan und rette und spiele nicht, sondern lese dieses Gedicht mit der Sonne und lerne es auswendig, so dass ich es sechzig Jahre später noch kann.

Hat es mich damals so beeindruckt? Cäsar Otto Hugo Flaischlen, den Stuttgarter Schriftsteller (1864 – 1920) hätte es sicherlich gefreut. — Erstaunlich, was so ein Text an Erinnerungen hervorzaubern kann!

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Zollstationen auf dem Ellenser Damm?

Fräulein Maria, Herrin von Jever, hatte 1575 dem Grafen von Oldenburg die Herrschaft Jever vererbt. Alle Wege zwischen Oldenburg und Jever verliefen durch das feindlich gesonnene Ostfriesland. Der Ellenser Damm sollte unter Anderem eine Landverbindung schaffen, die unabhängig war von den  Zöllen und kriegerischen Behinderungen durch die Ostfriesen. Er wurde 1615 vollendet.

Graf Anton Günther starb 1667 ohne rechtmäßigen Erben für die Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst. Sie fielen deshalb in Lehnsfolge an das Königreich Dänemark. Die Herrschaft Jever vererbte der Graf dem Fürsten Johann von Anhalt-Zerbst, seinem Neffen.
Verträge regelten bereits 1653 die Lehnsnachfolge des Grafen. Damit würde die Festung auf dem Ellenser Damm wieder Grenzstation. Die Planungen für Ihre Verstärkung begannen schon 1658, sie wurden allerdings nie verwirklicht. Da es infolge der alle Parteien zufriedenstellenden Verträge keine Grenzstreitigkeiten gab und die Festungsanlage sowieso schon veraltet war, wurde sie 1676 aufgegeben und geschleift. Stehen blieb lediglich das Kommandantenhaus als Grenz- und Zollstation zwischen dem dänischen Oldenburg und dem anhalt-zerbstischen Jever. Auch die Herrschaft Jever errichtete ihre Zollstation – etwa 700 m weiter nördlich auf dem Ellenser Damm, heute ein Bauernhof.

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Eine Festung auf dem Ellenser Damm

oder                         Man sieht nur, was man weiß

Schon aus Kindertagen kenne ich von Radtouren zwischen Roffhausen und Bockhorn – an der alten Bundesstraße 69, heute 210 entlang – das auffällige, alleinstehende, weiße Haus dicht an einem Tief. Mit eisernen Streben war – und ist heute noch – das Wort „Zo(ll)“ daran befestigt. Die beiden „l“ sind der laufenden Zeit zum Opfer gefallen – habe ich gedacht, aber Herr Rüdiger Buhl hat mich eines Besseren belehrt und dann habe ich das auch bei Wilhelm Janßen (Quelle s.u.) gefunden: nicht ZO sondern 20,  „Reste von Balkenankern, die auf das Baujahr des Hauses hinweisen“: 1620.

Im Erdgeschoss befand sich bis 1983 der Gasthof Rust, dort gab es für radelnde Kinder Sinalco.
Auf eine Anfrage hin habe ich mich mit dem Ellenser Damm und seinen Befestigungen beschäftigt und so erfahren, dass an und in diesem Gasthofgebäude Reste des Kommandantenhauses einer ehemaligen Festung nachgewiesen wurden.
An dieser Stelle gab es also – schon 1642 – eine Festung mit Kirche, Kommandantenhaus, Häusern für Soldaten, einer Marketenderei und kleineren Wohneinheiten mit Stallgebäuden. Von 1658 gibt es eine Karte mit der Überschrift: „Ellenserdamsche Grundriss“ – gezeichnet ist die Festung. (Quelle: Wilhelm Janßen, Der Ellenser Damm und seine Befestigungen, Oldenburger Forschungen, Neue Folge Band 4). Sie wurde 1676 wieder aufgegeben, da sie den Ansprüchen der Zeit nicht mehr gerecht wurde. Die Wälle verfielen schnell und Gebäude wurden aus Kostengründen abgetragen, lediglich das Kommandantenhaus blieb erhalten und wurde zur Zollstation und irgendwann zum Gasthof. Das Haus steht heute einzeln, einen Ort gibt es an der Stelle nicht.

Was heute „Ellenserdamm“ genannt wird, ist eigentlich nur ein ehemaliger Bahnhof und ein Zollhaus. Der Ort selbst heißt Ellenserdammer Siel und liegt etwa 4 km entfernt von der ehemaligen Festung nahe an Bockhorn. Er hatte ein Siel zur kontrollierten Entwässerung des Binnenlandes und bis 1924 einen Hafen, in dem Klinker verschifft wurden.

Der Ellenser Damm bekam seinen Namen von der damals im Watt des „Schwarzen Bracks“ liegenden Geest-Insel Ellens, auf der mit dem Bau des 3,5 km langen Dammes durch die offene Meeresbucht Richtung Norden begonnen wurde.

Wenn ich das nächste Mal an das interessante Haus komme, werde ich mir das Gelände genauer ansehen. Die Orientierung fällt durch das Gebäude und die Brücke über das noch vorhandene nördliche Sieltief nicht schwer. Jetzt, da ich von der Festung weiß, sehe ich vielleicht noch die wenigen verbliebenen Spuren.

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Schlemminger

Ich bin immer noch auf der Suche nach Justine Schlemminger. Sie müsste etwa 1815 /1820 geboren sein. Sie ehelicht Martin Bender, der vor 1844 als Krüger in Trakseden im Kirchspiel Willkischken stirbt. Die Wittwe heiratet dann am 8. März 1844 Johann Carl Leinert, meinen Ur-Ur-Urgroßvater.

Schlemminger aus dem Kirchspiel Szillen aus dem „Todten-Register 1850 – 1893“

Bruzzen/ Bruiszen:          Michel Sch. 1863

Jurken:                               Luise Sch. 10. 9. 1841

Kermuscheiten:                Anna Justine Sch. 12. 1. 1813 und Zyne Sch. 15. 2 1817

Rethen/ Retheney:           Carl Sch. 9. 3. 1855

Sprokinnen:                      Heinriette Sch. 31. 9. 1834

Usseinen:                           Anna Justine  7. 1. 1833,    Wilhelmine  5. 12. 1838    und                                                                      Ernstine Sch. 6. 2. 1839

Übrigens – „Heinriette“ und „Ernstine“ sind keine Schreibfehler von mir. Die Namen kamen in dieser Totenregister-Abschrift öfter vor.

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Amoser / Ammoser im Kirchspiel Szillen

aus dem  „Todten-Register 1850 – 1893“

Das Kirchenbuch, auf welches sich die Nummern beziehen,  ist im Staatsarchiv in Leipzig einzusehen.

Grüneberg:         Nr. 88                        Johanne Henriette Amoser                   5.4.1854

Gurbischken:     Nr. 76                         Ludwig Amoser                                    28.7. 1800

Nr. 10                        Johann Ammoser                                  28.1. 1803

Nr. 17                         Anne Sophie Ammoser                           7.2.1803

Nr. 230                     Maria Ammoser                                       5-9-1807

Nr. 45                        George Ammoser                                      2.6.1814

Nr. 111                       Andreas Ammoser                                  22.8.1818

Nr. 57                        Mathes Ammoser                                     8.6.1820

Nr. 9                         Carl Ed. Ammoser                                    16.1.1838

Nr. 151                      Friedrich Amoser                                   28.5. 1854

Nr. 11                        Marie Amoser (geb. Leinert)                  6.2.1860

Nr. 65                        Johann Friedrich Amoser                             1866

Nr. 29                        Wilhelm Amoser                                            1868

Nr. 52                        Catarine Amoser                                            1884

Podzunen            Nr. 92                        Carl Ammoser                                                1864

Nr. 93                        Andreas Ammoser                                        1870

Ruddecken:         Nr. 242                      Johann Amoser                                     2.12.1842

Von Herrn Walter Ammoser habe ich vor Jahren den Hinweis auf eine Ehe – 10. 3. 1814 – Maria Leinert aus Karteninken mit Johann Friedrich Ammoser aus Gurbischken bekommen. Nun füllt vielleicht das eine oder andere Fundstück eine Lücke in der Familienforschung „Ammoser“.

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Romanowsky

Nur viermal kommt im „Todten-Register 1850-1893“ des Kirchspiels Szillen der Name „Romanowsky“ vor.

In Grönen sterben:
Wilhelmine Romanowsky am 24. 4. 1827
Caroline Romanowsky am 16. 11. 1830 und
Johann Romanowsky am 12. 5. 1831.

In Szillen stirbt 1871 Leopold August Romanowski – im Kirchenbuch Nr. 58

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