Seit fast einer Woche bin ich nun wieder aus Litauen und Polen zurück – mit Photos und Erinnerungen an Menschen, Landschaften, Bauwerke und Friedhöfe, mit so vielen Eindrücken, dass es noch eine Weile dauern wird, sie zu verarbeiten. Ich wollte gerne sehen, wo meine Vorfahren gelebt haben, Orte finden, vielleicht noch Grabsteine mit mir bekannten Familiennamen. Oder was kann so eine Suche nach den Spuren von Vorfahren überhaupt ergeben, wenn diese ihre Wohnorte schon vor vielen Jahren verlassen haben?
Ich habe die wunderschöne, leicht hügelige Landschaft mit ihren weiten Feldern und ihrer heute noch vielfältigen Pflanzenwelt erlebt, in der mein Urgroßvater Louis Leiner geboren wurde, sogar die Hausstelle Stepponiszken. Ist das in etwa der Ausblick, den schon meine Ur-Urgroßeltern aus ihrem Hause gewohnt waren? Den mein Urgroßvater als Kind hatte?
Zwischen den Bäumen wohnten dann die Nachbarn, die Gehöfte etwa 800 Meter weit entfernt, verbunden durch Sandwege – auch heute noch. Die Bauernhöfe sind im offenen Viereck gebaut: das Wohnhaus in der Mitte und rechts und links -im rechten Winkel- getrennt davon stehend ein langer Stall und eine ebenso lange Scheune. Außerhalb liegt ein Obstgarten, der Gemüsegarten und kleinere Stall- oder Scheunengebäude. So haben wir es oft gesehen.
Die Frauen kamen aus den umliegenden Orten oder Gehöften. Die vordem für mich zusammenhanglosen Ortsnamen bilden nun eine Struktur relativ eng zusammenliegender Wohnstätten.
Ein Fluss, die Kulmena, gibt dem Ort Kulmen und vielen anderen in der Nähe liegenden Orten den Beinamen „Kulmen“: Kulmen-Jennen, Kulmen Laugallen, Uszkulmen usw. Mein Urgroßvater schreibt in der Familienbibel, er und seine Geschwister seien in Stepponiszken geboren, in der Sterbeurkunde einer seiner Halbschwestern steht aber als Geburtsort „Kulmen-Laugallen“. Er gibt den Hof an, in der Sterbeurkunde wird die Gemeinde angegeben oder die nächste Ortschaft.
Zwei kleine Friedhöfe sind in Sichtweite, aber die Schule? Gibt es überhaupt Ausbildungsmöglichkeiten? Mein Urgroßvater verläßt schon als Zehnjähriger sein Elternhaus und zieht zu einem älteren Halbbruder nach Danzig. Er lernt den Beruf des Formers und arbeitet später auf der Schichau-Werft.
Vieles wird mir verständlicher! Wie schön, dass ich diesen Ort gefunden habe.